25.6.13

„Das schreckliche Stöhnen der Zombies ist wieder da!“


Im Gespräch: der Zombie-Experte Max Brooks
[Eine Version dieses Gesprächs erschien im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 27. Juni 2013]
 
Max Brooks empiehlt: Im Falle einer Zombieplage, bloß nicht in Panik geraten!
 


Die Zombies sind zurück. Die bizarren und blutigen Geschichten von menschenfressenden Leichen erleben gerade ein herrliches Wiederaufleben. Der Bestseller-Autor Max Brooks, Sohn des US-amerikanischen Komikers Mel Brooks, hat das Buch der Stunde geschrieben. „World War Z“, dessen Verfilmung mit Brad Pitt diese Woche in die deutschen Kinos kommt, erzählt von den katastrophalen Folgen einer globalen Zombieplage. Ein Gespräch über lebende Tote, politische Allegorien und das Ende der Welt.


Herr Brooks, was ist ein Zombie?
In wenigen Worten, ein Zombie ist eine lebende Leiche ohne Geist, ohne intellektuelle Fähigkeiten, die versucht, Menschen zu fressen.

Wieso wollen die Zombes uns fressen?
Ich glaube, sie wollen den Virus verbreiten, der sie selbst zu Zombies gemacht hat, und somit noch mehr Zombies kreieren. Obwohl – ich glaube nicht, dass man wirklich sagen kann, Zombies „wollen“ irgendetwas.

Ihre Bücher über Zombies werden automatisch zu Bestsellern. Ihre Vorträge in den Vereinigten Staaten sind immer ausverkauft und wer in diesen Tagen eine Frage über Zombies hat, geht zu Ihnen. Wie fühlt es sich an, der berühmteste Zombie-Experte der Welt zu sein?
Es gibt andere Personen, die auch sehr gut informiert sind. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich wirklich so ein großer Zombie-Experte bin, das sollen andere entscheiden. Eines kann ich aber mit voller Zuversicht sagen: ich bin ein großer Zombie-Nerd.

Angesichts ihrer Zombie-Obsession, hält Sie ihre Familie nicht für einen schrägen Vogel?
Ich komme aus einer Familie von Künstlern, für uns ist „schräger Vogel“ ein ziemlich relativer Begriff.

Ihr erster Bestseller, „Zombie Survival Guide – Überleben unter Untoten“, ist Zombie-Universallexikon und Zombie-Handbuch zugleich. Es erörtert die Natur und die Geschichte der lebenden Toten, weist Mythen zurück und erklärt, wie wir am Besten mit ihnen umgehen sollen. Wie ist das „Survival Guide“ entstanden?
Ich habe das „Survival Guide“ geschrieben, weil ich mich vor Zombies fürchtete. Ich wollte wissen, was sie sind, wie man sie bekämpfen kann. Nun, niemand hatte darüber geschrieben. Also beschloss ich, die schmutzige Arbeit selbst zu machen.

Viele Leute denken, das „Survival Guide“ sei ein humoristisches Buch.
Auf gar keinen Fall! Sind Sie verrückt? Was soll lustig daran sein, mit allen Mitteln zu versuchen, eine globale Zombieplage zu überleben? Man muss eine kranke, eine perverse Person sein, um zu glauben, dass lebende Leichen, die Menschenfleisch essen, „humoristisch“ sein könnten.

Sie haben also wirklich Angst vor Zombies.
Natürlich habe ich Angst vor Zombies, mein Gott! Sie sind die globale Plage! Man kann mit ihnen nicht verhandeln, man kann nicht argumentieren. Sie wollen uns einfach fressen, das ist das Einzige, was ihnen wichtig ist. Und sie werden Ihnen hinterher kommen, nicht einzeln, sondern in Scharen. Ob Fiktion oder nicht, so ein Szenario ist einfach beängstigend.

Zombies sind einmalig in der Pop-Kultur: sie haben keine inneren Konflikte, sie verlieben sich nicht, sie hassen nicht. Man kann sich mit ihnen einfach nicht identifizieren. Und doch sind sie äußerst erfolgreich. Als das „Zombie Survival Guide“ 2003 erschien, meinten ihre Verleger, niemand würde sich für so ein bizarres Thema interessieren. Wenige Monate später hatten Sie schon mehr als eine Million Kopien allein in den Vereinigten Staaten verkauft. Ihr zweiter Bestseller, „World War Z“, wurde soeben mit Brad Pitt verfilmt. Die Fernsehserie „The Walking Dead“ wird jede Woche von Millionen von Personen weltweit verfolgt. Und überall Zombie-Romane, Zombie-Comics. Was ist denn so faszinierend an Zombies?
Ich denke, sie sind eine sichere Form, durch die Menschen ihre Ängste vor dem Ende der Weltderen Gründe im Übrigen sehr real sind – erkunden können. Wir leben in angsteinflößenden Zeiten, in einer weltweiten Krise und Leute wissen nicht, was die Zukunft bringen wird. Zombiegeschichten lassen uns sehen, wie das Ende der Welt sein könnte. Aber da es Zombies sind und kein globaler Terroranschlag, der Atomkrieg oder AIDS, können wir trotzdem nachts ruhig schlafen.

Und weil wir zu sehr an das Ende der Welt denken, sind Zombies, nach den letzten Jahren Vampyrenkitsch und Kleinzauberergeschichten, wieder aufgetaucht?
Ich glaube schon. Denken Sie nur darüber nach: Zombies waren sehr populär in den 70ern während der schlimmen Jahre des Kalten Krieges, als die Leute in den Vereinigten Staaten und Europa sehr unsicher über ihre Zukunft waren. In den 80ern und 90ern, als zumindest im Westen alles wieder zur „Normalität“ zurückkehrte, waren sie weg. Und jetzt, mit all den Umwälzungen der letzten 12 Jahre seit dem 11. September ist das schreckliche Stöhnen der Zombies wieder da.

Wenn man an die Zombie-Fieber der 70er Jahre denkt, kommen einem als Erstes George A. Romero und Filme wie der Klassiker „Die Nacht der lebenden Toten“ von 1968 in den Sinn. Was halten Sie von Romero?
George A. Romero ist der Zombie-King. Er hat das moderne Zombie-Genre erfunden und somit sozusagen das kulturelle Drehbuch über die lebenden Toten für das ganze 20. Jahrhundert geschrieben. Ohne Romero wäre es einfach nicht zur Renaissance des Genres gekommen.

Für viele sind Romeros Filme über Zombies eigentlich politische Allegorien, die soziale Missstände in den Vereinigten Staaten wie z.B. Rassismus, exzessiven Kapitalismus, oder Kriegsfanatismus offenlegen und kritisieren. Was denken Sie darüber?
Ich bin mit dieser Interpretation einverstanden. Was ich an Romero so fesselnd finde, ist seine Fähigkeit, jedes Ding, was er tut, zu einem gesellschaftlichen Kommentar zu machen. Das gilt auch für seine Filme. Ich mag Geschichten, die das „große Bild“ der heutigen Gesellschaft darstellen, Geschichten, die zeigen, warum es notwendig ist, nicht gedankenlos zu handeln. Und wenn es darum geht, sich über die menschliche Natur Gedanken zu machen und die Gefahren des Automatismus zu zeigen, macht Romero alles richtig.

Haben ihre eigenen Bücher auch ein politisches Interesse?
Ich weiß nicht, ob ich es „politisch“ nennen würde, aber wie gesagt, ich denke gern darüber nach, was uns Menschen so macht, wie wir sind. Und ich glaube, die Zombie-Geschichten handeln weniger von den lebenden Toten als von uns selbst.

„World War Z“ erzählt die Geschichte des Krieges, der am Ende des 20. Jahrhunderts als Konsequenz einer globalen Zombieplage ausgebrochen ist. Diese hat die ganze Welt völlig unvorbereitet erwischt: was mit einzelnen Fällen von Infizierten anfing, vor allem in entfernten Dörfern Chinas und Afrikas, endete in einem kompletten Chaos, das die menschliche Zivilisation fast ausrottete. Sind wir heute für eine globale Plage jenes Ausmaßes vorbereitet?
Das hängt vom jeweiligen Land ab. Ich kann Ihnen versichern, dass in den Vereinigten Staaten Barack Obama sein Bestes tun würde, um uns zu beschützen – vor Zombies und unserer eigenen Kurzsichtigkeit. Was Deutschland angeht, das müssen Sie mir sagen: Sind Sie vorbereitet?

Zwei praktische Ratschläge von Ihnen als Experte. Was werden Sie als Erstes machen, wenn die ersten lebenden Toten anfangen, Leute zu fressen?
Innehalten, tief durchatmen und nachdenken. Wie die Engländer sagen: „Keep calm and carry on“.

Und was muss man um jeden Preis vermeiden im Falle einer Zombieplage?
In Panik zu geraten. Glauben Sie es mir: die Hysterie wird viel mehr von uns töten, als die Zombies selbst.

Max Brooks arbeitete als Autor der Fernsehshow „Saturday Night Life“ bevor er begann, über Zombies zu schreiben. Seine Bücher: „ Zombie Survival Guide – Überleben unter Untoten“, München, 2004 und „World War Z – Operation Zombie“, München, 2013.

„World War Z“-Trailer.

Das Interview führte Hernán D. Caro.
© HDCA, 2013